Vom Star zur Tierschützerin: die rührende Wandlung der Virginia McKenna (2024)

"Frei geboren", die Geschichte der zahmen Löwin Elsa: Millionen Zuschauer ließen sich vor 50 Jahren von diesem Film verzaubern. Das Leben der Hauptdarstellerin Virginia McKenna hat er für immer verändert.

Von Verena Lugert

Da ist sie, kauert allein im afrikanischen Busch. Abgemagert bis auf die Knochen, Blut klebt an ihr, ihr sandbeiger Löwenleib ist mit Bisswunden übersäht. Sie schmiegt sich an Joy, die Frau, die ihre menschliche Pflegemutter war. Elsa muss üben, allein zu überleben, doch sie kann weder jagen noch kämpfen. Dennoch, immer wieder muss sie allein in die Wildnis, ein paar Tage, eine Woche. Es bricht Joy jedesmal das Herz, wenn Elsa dem Jeep hinterherläuft, wenn sie schließlich erschöpft aufgibt, der Blick fassungslos. Und wenn sie sie schließlich abholen, fällt die Löwin ihnen entkräftet vor die Füße, leckt ihnen die Hände, die Wangen. "Du quälst sie", sagt Joys Mann George, "gib auf. Sie muss in einen Zoo." Joy entgegnet: "Nein. Elsa kommt in keinen Zoo. Sie soll frei leben. Denn sie ist frei geboren." Und die zahme Löwin blickt Joy mit so viel Trauer und Hingabe an, dass auch dem abgebrühtesten Zuschauer die Tränen in die Augen steigen.

"Born Free" ("Frei geboren – Königin der Wildnis") war vor 50 Jahren ein Kinoereignis. Der Film hat die Einstellung von Millionen von Menschen zu Tieren verändert; auch Barack Obama sagt, dass "Born Free" seine Kindheit geprägt hat. "Ich glaube, ich habe noch nie bei einem Film so sehr geweint wie bei 'Born Free'. Ich war damals vier, fünf Jahre alt." Es ist eine hinreißende, wundersame Parabel über die Freiheit. Und ihren Preis. Über das Recht des Menschen, sich über das Tier zu erheben.

Und es ist eine wahre Geschichte: Joy Adamson hat sie mit ihrem Mann George so erlebt und ein Buch darüber geschrieben. Mit erstaunlichen und anrührenden Fotos: Elsa als flaumiges Löwenbaby, dann riesengroß, 150 Kilo schwer, im Bett mit dem Ehepaar. Oder auf dem Dach des Jeeps, die weichen Riesenpranken, die wie Teddypfoten aussehen, baumeln herab.

Anfang der 1960er Jahre, als das Buch schon ein Bestseller war, befand sich die britische Schauspielerin Virginia McKenna auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Eine blonde Filmgöttin, verheiratet mit dem Schauspieler Bill Travers, auch er ein Star. Die beiden waren strahlende Gestalten, hatten reizende blonde Kinder, insgesamt sollten es vier werden. Sie führten ein glamouröses Dasein zwischen dem Jetset in New York und London und dem verträumten Familiencottage in Surrey.

"In Afrikas Wildnis campen! Mit Löwen drehen! Wir haben uns wie Kinder auf das Abenteuer gefreut."

Virginia, geboren 1931, war das Kind vermögender Londoner Bohémiens. Ihre bildhübsche Mutter, vom Vater geschieden, war Pianistin im Tanzmusikensemble "That certain Trio", das ganze Säle zum Kochen brachte. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, verfügte der Vater, dass Virginia nach Südafrika in Sicherheit gebracht werden sollte, die Mutter sollte mit ihr reisen. In Liverpool schifften sie sich ein, fünf Schiffe sollten die Reise aus Sicherheitsgründen im Konvoi unternehmen. Doch das Schiff von Virginia und ihrer Mutter wurde aufgehalten, das Meer war zu aufgewühlt. Als sie schließlich in die graue, englische See stachen, erreichte die Passagiere die schreckliche Nachricht: Die vier vorausgefahrenen Schiffe waren von deutschen U-Booten torpediert worden. "Wir sahen die Wrackteile an uns vorbeiziehen", erinnert sich Virginia McKenna. Vielleicht wurde in ihr da schon das unbestimmte Gefühl wach, dass sie – dem Tod von der Schippe gesprungen – besonders intensiv leben wollte.

Entnommen aus...

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Nach dem Krieg kehrten Mutter und Tochter nach England zurück, Virginia begann bald ihre Schauspielausbildung, wurde bekannt, berühmt, bekam die großen Theaterrollen, bald war sie Filmstar. Hatte eine Kurzehe mit dem Filmidol Denholm Elliot, der sich aber auch zu Männern hingezogen fühlte – eine Tatsache, die die Ehe nach ein paar Monaten beendete. Doch Virginia verliebte sich kurz darauf bei Dreharbeiten in den Schauspielkollegen Bill Travers, und der sich in sie. Das Glück war perfekt.

Und in diese Zeit platzte nun das Angebot: Joy Adamsons Buch sollte verfilmt werden. Mit Virginia und Bill in den Hauptrollen. Was heißt Hauptrollen – den Lead hatte natürlich die Löwin.

"Vor den Löwen braucht ihr keine Angst zu haben", hatte der Produzent Paul Radin dem Paar beim Afternoon-Tea im eleganten Londoner Mayfair Hotel gesagt. "'Das sind nichts als große Miezekatzen, meinte er'", erinnert sich Virginia McKenna und kichert wie ein junges Mädchen. 84 ist sie jetzt, immer noch wunderschön, liebenswürdig, distinguiert – mit viel Schalk. "Paul hatte natürlich keine Ahnung! Bill und ich haben uns quer über den Tisch angesehen, um nicht laut loszulachen. Wir kannten ja das Buch. Aber als er dann endlich die ersehnte Frage stellte: Und, wollt ihr?, haben wir aus einem Mund Ja! gesagt." Unten auf der Straße hüpften sie erstmal vor Freude.

"Der Film hat unser Leben verändert“, sagt Virginia McKenna. Hat sie das damals, vor 50 Jahren, schon geahnt? "Aber nein! Das hätten wir uns nie träumen lassen. Wir haben uns wie Kinder auf das Abenteuer gefreut! Wir liebten beide Abenteuer, immer schon. Und dieses versprach, großartig zu werden: Fast ein Jahr lang in Afrikas Wildnis campen! Mit Löwen drehen! Und die ganze Familie darf mit!", erinnert sie sich begeistert.

Eigentlich sollte mit der domptierten Zirkuslöwin Astra gedreht werden; die echte Löwin Elsa war gestorben, in Freiheit, in der Wildnis Afrikas. An einem Zeckenbiss. Doch mit Astra wollen die Dreharbeiten nicht richtig in Gang kommen, sie ist ein Zeit ihres Lebens in Gefangenschaft gehaltenes Tier, mit dem die beiden Schauspieler nicht warm werden. Und das bald zu einer Bedrohung wird: Zwei Mal will die Löwin Bill anfallen. Der Dreh wird abgebrochen, man ist ratlos. Doch dann beginnt ein kleines Wunder: In Meru, dem Reservat von George Adamson, gibt es mehrere junge Löwen. Angeleitet von Adamson, der den Film begleitet, freundet sich das Paar mit den Jungtieren an. "Niemand verstand das Wesen der Löwen besser und intuitiver als George. Er war ein so wunderbarer Mensch", sagt Virginia McKenna. Elsas Geschichte scheint sich zu wiederholen: Virginia und Bill verbringen Monate mit den Tieren, spielen mit ihnen, kraulen sie, kuscheln. Die Löwinnen werden zahm. Ohne Konditionierung, ohne Belohnung, ohne Strafe. "Es war eine Liebesgeschichte zwischen Mensch und Tier, die man nicht mit Zirkustieren spielen kann", sagt McKenna. Zum Drehen wird immer diejenige Löwin von George Adamson ausgewählt, die an dem Tag am aufgewecktesten ist. Die echte Elsa wird also von einem kleinen zahmen Elsa-Ensemble verkörpert.

"Das ganze Erlebnis war ein Privileg. Löwen sind so wunderbare Geschöpfe", sagt McKenna. Hatte sie nie Angst? "Ich habe versucht, die Tiere nie zu verwirren, sie zu respektieren und mich einzufühlen. Einmal haben Bill und ich mit unseren zwei Lieblingslöwen – Boy und Girl – gespielt. Das Spielen wurde wilder, auf einmal sprang Girl auf mich drauf, ich fiel und verletzte mich am Knöchel, sodass er operiert und kompliziert verschraubt werden musste. Ich werde nie vergessen, wie ich ins Camp zurückgebracht wurde, das Jeepfenster war offen. Girl trabte in vollem Lauf auf mich zu, richtete sich auf, kam mit ihrem halben Körper durch das Fenster und umarmte mich mit beiden Pfoten."

"Und heute? Es gibt nur noch 20.000 Löwen in Afrika, das ist erschreckend!"

Ihre drei kleinen Kinder, die in Kenia dabei sind, lässt Virginia McKenna nicht in die Nähe der Löwen. "Kinder haben hohe Stimmen, sie bewegen sich unruhig, springen umher – sie entsprechen exakt dem Beuteschema von Löwen. Nein, Kinder und Löwen soll man nicht zusammenbringen", sagt McKenna. "Wir Menschen müssen unser Verhalten nach den Löwen richten, nicht umgekehrt. Denn bei der Zähmung und Annäherung wird vom Löwen ein Verhalten abgefragt, das nicht natürlich für ihn ist. Löwen sind und bleiben Raubtiere."

Der Dreh verändert das Paar. Aus Bill, dem Schauspieler, wird ein Dokumentarfilmer, der sein Herz für immer an Afrikas Wildtiere verloren hat. Er dreht Filme über Leoparden, Löwen und Elefanten. Als sie einige Jahre nach "Born Free" erfahren, dass ein Elefant des Londoner Zoos offensichtlich falsch gehalten und deswegen krank geworden ist, engagieren sie sich für das Tier, versuchen seine Auswilderung, verhandeln mit den kenianischen Behörden. Der Elefant stirbt dennoch. Doch Virginia und Bill lässt keine Ruhe, was sie gesehen haben. Sie finden heraus, dass auch in vielen anderen europäischen Zoos die Bedingungen nicht artgerecht sind. Gründen die Stiftung "Zoo Check", die bald in "Born Free Foundation" umbenannt wird. Das Paar reist durch die Welt, begleitet vom inzwischen erwachsenen ältesten Sohn Will, der heute die Stiftung leitet. Virginia demonstriert vor dem Palast von Monaco, weil der Zoo dort so erbärmlich ist. Sie sammeln Spenden, um in Afrika Land für Reservate zu kaufen. Immer öfter gelingt ihnen die Auswilderung von Tieren. Es ist ein hocherfülltes Leben, das die beiden führen.

Doch dann stirbt Bill 1994, urplötzlich, im Schlaf. Es ist das Herz. Und Virginias Herz droht zu brechen, doch das lässt sie nicht zu. Sie macht die Stiftung größer, einflussreicher, organisiert Kampagnen und Millionen von englischen Pfund. Bis heute reist sie beständig, in die Wildnis, in den Busch. In der Economy- Klasse im Flugzeug durch Zeitzonen hinweg, in rumpelnden Jeeps über Staubpisten. "Gerade war ich in Äthiopien, wir haben von der Regierung Land für ein Reservat bekommen. Dort haben wir einen Löwen ausgewildert. Er wurde in einem Verschlag vier Jahre lang an einer ein Meter langen Eisenkette gehalten. Und jetzt ist er frei!" Doch die Zukunft für Wildtiere sieht dramatisch aus. "Es sind nur noch 20.000 Löwen übrig, in ganz Afrika. Eine erschreckende Zahl. Und immer noch darf man Löwen jagen!", sagt sie. Dieses Jahr organisiert sie eine Zählung in Meru, dem Reservat von George Adamson. Drei der Löwen, die in "Born Free" zu sehen waren, blieben dort und bekamen Junge, "jetzt wollen wir sehen, ob es von ihnen Nachkommen gibt."

So endet der Film: Als Elsa endlich ausgewildert ist, fahren Joy und George im Sommer darauf an den Ort, an dem sie Elsa ausgesetzt hatten. Sie warten, tagelang. Und dann erscheint sie, erwachsen, prächtig, wild. Erkennt sie sie? Sie kommt näher, mit drei Löwenbabys im Schlepptau. Elsa ist Mutter geworden. Und zeigt ihren menschlichen Pflegeeltern stolz ihren Wurf: frei geboren.

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